Dienstag, 17. Februar 2009

Konversionen und Wechselspiele...

lautet das Februarthema von "eigentümlich frei", André Lichtschlags edlem Magazin. Gerade heute sind Konversionen besonders aufsehenerregend, und das zeigt nicht nur das vieldiskutierte Beispiel Tony Blairs. Denn sie widersetzen sich dem von Relativismus geprägten Zeitgeist und dem vorherrschendem Streben nach leichtem, sinnfreien Glück. Michael Klonovsky schreibt in seinem Überblicksartikel: "Die westlichen Gesellschaften arbeiten daran, die Konversion für immer abzuschaffen, indem sie ihr den Grund entziehen. Ihr Reich ist entschieden von dieser Welt, jenes irdische Paradies, das der Konmunismus bloß verhieß, scheint im demokratischen Konsumismus Wirklichkeit geworden. [...] Auf immer mehr Unverständnis wird stoßen, wer die modernen Plastikwelten, ihre synthetischen Glücksangebote und Kollektiv-Individualismen ablehnt, um stattdessen nach existentiellen Elementarerlebnissen, nach Selbstaufopferung, Treue und Schmerz, nach Gott, dem Sinn von Sein und ähnlichen Absurditäten zu suchen. [...] Es wird innerhalb der Wohlstandsdemokratie nur Konversionen geben, die aus ihr hinausführen." Lesenswert!

Montag, 16. Februar 2009

Die Sirene

Das passiert selten: Beim Lesen im Zug habe ich ein Meisterwerk entdeckt.  Giuseppe Tomasi di Lampedusa, Die Sirene. Gäbe es nicht den "Leopard", hätte schon diese Erzählung den Fürsten von Lampedusa unsterblich machen  müssen. Im Klappentext ist zu lesen: "So berichtet die Titelerzählung von einem alten Mann, der seit seiner Jugend einer zauberhaften Sirene verfallen ist und keine andere Frau mehr lieben kann." Der Held bloß ein alter Mann, kopflos einem mythischen Wesen verfallen? Nein. Er ist ein Titan, ein Halbgott, eine Existenz, wie sie heute kaum mehr gedacht werden kann, und hat die Liebe zu einer Unsterblichen erfahren. Man soll das Großartige nicht herunterbrechen auf das Gewöhnliche.

Sonntag, 15. Februar 2009

Den größten Verfallsroman aber...

schrieb Giuseppe Tomasi di Lampedusa: "Der Leopard". Weniger bekannt sind seine Erzählungen. "Freude und moralisches Gesetz" nahm mich vom ersten Satz an gefangen. Er lautet: "Als er in den Autobus stieg, belästigte er alle."

Joseph Roth lesen...

"Der Kaiser war ein alter Mann. Er war der älteste Kaiser der Welt. Rings um ihn wandelte der Tod im Kreis, im Kreis und mähte und mähte. Schon war das ganze Feld leer, und nur der Kaiser, wie ein vergessener silberner Halm, stand noch da und wartete."

Nicht in den "Buddenbrooks", sondern in dem anderen großen Verfallsroman der deutschen Literatur stehen diese vier Sätze: in Joseph Roths "Radetzkymarsch". Die "Buddenbrooks" wurden gerade wieder verfilmt.  Weniger bekannt ist die von Roth erzählte Geschichte der Familie Trotta, in  deren Geschicken sich der Niedergang der alten Donaumonarchie spiegelt. Groß und fern erscheint dieser Roman, vieles ist den heutigen Lesern fremd geworden: Denn er verlangt nicht nur Kenntnis der Geschichte, sondern auch ein Verständnis für den Begriff des Verfalls, ein Gespür also für den Wert des Verlorengegangenen und sich Verlierenden. Eines aber erschließt sich jedem Leser sofort: Bei Roth wird schön gestorben.