Samstag, 4. Juli 2009

Vertrauenerweckend

Heute nachmittag mal wieder gemerkt, wie wichtig für Blogger eine funktionierende Kamera wäre. Meine ist schon lange kaputt, sonst hätte ich das Schild photographiert, das ich an einem Juwelierladen im Bahnhofsviertel gesehen habe:

"Ohrloch und Nase stechen mit Infektionsmittel!"

Aber ohne Photo glaubt mir das ja sowieso niemand.

Goethe

Ich hatte ja versprochen, Barbey d'Aurevillys Schrift "Gegen Goethe" zu besprechen. Das dauert leider noch ein bißchen. Deshalb als Vorgeschmack ein Zitat:

"Goethe ist aus den Trümmern zweier großer Männer gemacht: eines großen Dichters und eines großen Gelehrten. Die Natur brachte sie zusammen; doch hat das beiden nicht noch mehr geschadet?"
(Jules Barbey d'Aurevilly: Feinheit des Geistes rührt von Niedertracht, Berlin: Matthes & Seitz 2008, S. 30)

Da mag was dran sein. Mich hat Goethe immer kalt gelassen. Und der penetrante Triumphalismus, mit dem die Germanistik seit gefühlten Jahrhunderten Goethe als ersten Nicht-Christen unter den deutschen Dichtern feiert, ist wirklich enervierend.

Kürzlich sagte mir jemand, daß man "Wilhelm Meisters Lehrjahre" erst zu schätzen lernt, wenn man alt ist. Er meinte wohl: abgekühlt und saturiert. Denn das, was diesen Roman ausmacht, sein nüchternes Bekenntnis zum Vernünftig-Maßvollen – das ist nichts für jemanden, der noch Träume hat, nicht an die reine Gegenwärtigkeit des Lebens glauben will. Mir kam "Wilhelm Meister" immer ziemlich behäbig vor. Dort herrscht die flache Wirklichkeit. Novalis, dieses frühverstorbene Genie, schrieb über Wilhelm Meisters Lehrjahre: Sie seien „durchaus prosaïsch – und modern. Das Romantische geht darin zu Grunde – auch die Naturpoësie, das Wunderbare – Er handelt blos von gewöhnlichen menschlichen Dingen – die Natur und der Mystizism sind ganz vergessen. Es ist eine poëtisierte bürgerliche und häusliche Geschichte. Das Wunderbare darinn wird ausdrücklich, als Poesie und Schwärmerey, behandelt. Künstlerischer Atheïsmus ist der Geist des Buchs. Sehr viel Oeconomie – mit prosaïschem, wohlfeilen Stoff ein poëtischer Effect erreicht.“(HKA III, S. 638f.)
Doch, er hat recht!

Donnerstag, 2. Juli 2009

Und noch eine Lyrikseite

http://www.lyrikline.org. Schon seit 1999 im Netz. Ich kannte die Seite noch nicht, weil es mich eher zu älterer Dichtung hinzieht. Die Seite bringt zeitgenössische Poesie, gesprochen in der Originalsprache. In vielen verschiedenen Sprachen von Albanisch bis Wayuunaiki (eine Sprache die, wie die englische Wikipedia mitteilt, von 305.000 Personen in Venezuela und Kolumbien gesprochen wird). Schön! Dank an Christian für den Hinweis!

Mittwoch, 1. Juli 2009

Poesiealbum

Was man so alles im Netz findet: Erinnerungen an die Musik der 80er, die Serien von damals. Youtube ist reizvoll. Doch im Grunde sind es nur Erinnerungsschatten.  Denn die Wirkung damals war anders, das alles gehörte in eine andere Zeit, und was die eigene Erinnerung an Verklärung hinzufügt, hebt das Netz wieder auf. Für Nostalgiker hat das Netz seine Tücken.

Anders ist es, wenn Erfahrungen durch das Netz aktualisiert werden. Das geschieht selten genug, kommt aber vor. Mitte der Neunziger war ich für eine Lokalzeitung auf einem Lyrikabend mit Lutz Görner, ich war beeindruckt. Lutz Görner trägt Gedichte vor, reist mit seinen außergewöhnlich erfolgreichen Programmen durch Deutschland, bringt so den Leuten Gedichte nahe und kann außerdem singen und mit viel didaktischem Talent erklären. Er leistet damit mehr für die Lyrik als sämtliche Germanistik-Professoren zusammen. Ich habe mir das Programm auf Kassette gekauft. (Ich besitze sie noch.) Heute ist Lutz Görner im Netz gut aufgestellt, mit Website und youtube-Kanal. Es gibt die Rubrik "Gedicht des Tages" und ein Gedichte-Archiv.  Das alles ist für mich nicht dasselbe wie der Auftritt damals, der mir so gut gefallen hat. Aber es ist nicht bloß ein Schatten, sondern eben etwas ganz Anderes, ein richtig nettes Fundstück.