Samstag, 2. Januar 2010

Das böse f-Wort

Es gibt Wörter, die jeden disqualifizieren, der sie ohne sprachkritische Absicht benutzt, und dieses f-Wort gehört zweifellos dazu: furios. Gerade las ich nach meinem adventlichen Internet-Verzicht in diversen Feuilletons herum, und da war es schon wieder. So schrieb die FAZ erst vor wenigen Tagen:

"Der neue Roman von Dietmar Dath [klar, von wem auch sonst?] ist eine furiose Abrechnung mit unserer Gegenwart aus „Nordic Walkern und Kackdackeln“, ein Tritt für prätentiöses Kunstgesäusel, ein doppelter für die Generation Upload und ein dreifacher für das belämmerte Kulturmanagement, ein brachial komischer Geistesblitzkrieg, der den guten alten „Kinostil“ revitalisiert..." usw.usw.

Himmel hilf!

Die WELT weiß über Johnny Depp zu berichten, daß "hunderte Fans" ihm "in Japan einen furiosen Empfang bereitet" haben, und findet auch den Auftakt eines Romans von Richard Morgiève "furios" (und übrigens, liebe WELT, der Mann schreibt sich am Ende mit "e", "Morgièv" ohne e sieht doch nun wirklich ganz furchtbar falsch aus, besonders, wenn es so in der Titelzeile steht!) Einen "furiosen Endspurt" haben außerdem die Mexikaner in der WM-Qualifikation hingelegt.

"Furios" hieß früher übrigens "wütend" oder "wild", bekannt ist der "rasende Roland" - "Orlando Furioso". In Karl Mays Erzählung "Auf den Nußbäumen" wird berichtet, daß "der Puls nicht mehr furios, sondern in einem lebhaften Allegro klopfte", und von Goethe ist überliefert, daß er gelegentlich "grob und furios" wurde.

Heute heißt "furios" alles Mögliche. Im FAZ-Archiv seit 1993 bekommt man für das Wort 665 Treffer. Eine Steigerung gibt es auch noch, ein weiteres böses f-Wort: "fulminant". FAZ: 585 Treffer. Und was als fulminant bezeichnet wird, muß nun wirklich der allerletzte Mist sein.

Montag, 28. Dezember 2009

Bin wieder da

Fast vier Wochen Internetabstinenz: eine gute Erfahrung, eine Entgiftung. Ich hatte dem Netz zuviel Raum gegeben in meinem Leben. Nach wenigen Tagen Verzicht kam mir das Internet vor wie eine düstere und zynische Variante der Welt. Die von den Medien erzeugten Hysteriewellen, die sich überschlagenden Nachrichten haben mich von den Dingen in meiner Nähe abgelenkt: von den Dingen also, auf die ich Einfluß habe. Wenn man sich dem Netz für eine Weile entzieht, bedeutet das nicht, daß man die Augen vor der Realität verschließt. Vielmehr weitet sich der Blick wieder für die Wirklichkeit, die einen umgibt. Das heißt nicht, daß das Schreiben im Netz nicht wichtig ist. Denn auch dadurch läßt sich etwas bewirken. Gefährlich ist es aber, wenn man anfängt, sich in der virtuellen Welt zuhause zu fühlen. Da sollte man besser den Rechner aussschalten, mal an die frische Luft gehen, die Natur genießen oder was für die Mitmenschen tun.

Nach wenigen Tagen Internetpause habe ich schon gemerkt, wieviel Zeit ich dadurch gewonnen habe. Doch je länger ich abwesend war, desto mehr habe ich mich an die schönen Seiten der virtuellen Welt erinnert: vor allem an die echten und netten Kontakte, die man dort auch findet. Ich möchte das Netz in Zukunft bewußter nutzen. Das heißt aber nicht, daß ich mit dem Schreiben aufhöre.

Was ich sonst noch gemacht habe im Advent:

- den Zauber des Verbotenen entdeckt, in diesem Fall: die Poesie der Weihnachtsmärkte. Verboten, weil ich fasten wollte. Und auf einmal kam mir der Weihnachtsmarkt vor wie ein Schlaraffenland, in dem es überall duftet und glitzert und leuchtet. Doch, Weihnachtsmärkte haben schon ihre Berechtigung in der düsteren Jahreszeit. Besser wär's freilich, wenn sie nur an Sonntagen und Hochfesten geöffnet wären. Was das Fasten betrifft: Am 17. Februar 2010 starte ich den nächsten Versuch.

- Außerdem habe ich Muskeln entdeckt, von deren Existenz ich vorher nicht wußte. Mein Sportprogramm habe ich nämlich konsequent durchgezogen.

- Etliche Mails mit dem Betreff "hohoho" gelöscht, die dieses Jahr schon recht frühzeitig kamen.

-  und nicht zuletzt Rückblick auf das Jahr gehalten und festgestellt: Es war ein gutes Jahr. Ich habe wertvolle Begegnungen gehabt, Freunde gefunden und habe in der Audienz den Papst von Nahem gesehen. Ich habe eine Gemeinde gefunden, in der ich mich wohlfühle. Und eine Möglichkeit, etwas für andere zu tun. Als ich dachte, beruflich geht es gar nicht weiter, habe ich neue Kunden gefunden. Und dadurch kam das Gefühl zurück, daß ich getragen werde, sich immer irgendwas ergibt und ich zuversichtlich sein kann. Viel Grund also, danke zu sagen.

Die letzten Tage des Jahres werde ich wie immer in einem Kloster verbringen. Ich wünsche allen einen guten Übergang ins neue Jahr und alles Gute für 2010!