Sonntag, 10. Januar 2010

Hilfe, es schneit!



Daß es im Winter schneit, sorgt seit Tagen für Schlagzeilen. Nicht etwa, weil Schnee was Schönes ist, man lange Spaziergänge machen kann, es unter den Schritten knirscht, die Welt stiller geworden ist, alles glitzert, und die Kinder ihre Thermohose angezogen bekommen und draußen spielen dürfen. Nein, es geht um die Gefahren, die die weiße Pracht mit sich bringt. Früher hat mal halt mal das Auto in der Garage gelassen, kam ein bißchen zu spät, und das war alles. Im Winter schneit es eben, und das wußten selbst die Journalisten. Heute wird Katastrophenstimmung erzeugt: Man wird aufgefordert, zuhause zu bleiben, sich mit Lebensmitteln einzudecken, Kerzen, Decken und möglichst noch ein batteriebetriebenes Radio zu kaufen. Wer nimmt sowas ernst? Gestern morgen, auf dem Weg zum Supermarkt, fiel mir die irritierende Leere auf den Straßen auf. Im Supermarkt genauso: Ich war fast allein, an einem Samstag. Die Verkäuferin sagte mir, die Leute hätten am Freitag "eingekauft wie verrückt", wegen des Wintersturms.

Sturm? Hier jedenfalls kein Lüftchen. Und der Schnee? Schön, aber nichts im Vergleich zu den Schneemengen, die ich aus meiner Kindheit noch kenne. Ein ganz normaler Winter eben, und die Österreicher würden darüber nur lachen. Immerhin, im Laufe des Tages wagten sich doch einige Spaziergänger auf die Straßen, und so wurde zumindest meine Befürchtung zerstreut, daß die letzten Überlebenden der Schweinegrippe von der Kälte dahingerafft wurden. Aber was ist das bloß für eine Gesellschaft, die mit Panik und Hysterie auf alles reagiert, was nur ein wenig vom Alltäglichen abweicht, und seien es ein paar Schneeflocken, und deren Hauptanliegen es zu sein scheint, jedes Risiko zu minimieren? Eine ziemlich labile jedenfalls. Täusche ich mich, wenn ich denke, daß sowas ein Zeichen von Orientierungslosigkeit und metaphysischer Verunsicherung ist?