Samstag, 20. März 2010

Ist das etwa kein Kindesmißbrauch?

"Ein Erlöschen des spirituellen Feuers", "eine erschreckende Glaubenskrise monströsen Ausmaßes", ein "Abfall vom Evangelium. Eine Verhöhnung Gottes selbst unter Theologen": So erklärt Paul Badde in seinem Kommentar  die Mißbrauchsfälle in der Kirche. Jedem muß einsichtig sein, daß "ein Priester, der sich an Kindern vergeht, die Worte Jesu schon lang nicht mehr ernst genommen hat, wo es etwa heißt: „Wer einen von diesen Kleinen, die an mich glauben, zum Bösen verführt, für den wäre es besser, wenn er mit einem Mühlstein um den Hals ins Meer geworden würde“ (Markus 9,42).

Damit ist eigentlich alles gesagt. Nicht eine Abkehr von der katholischen Sexualmoral verhindert Mißbräuche, sondern eine Hinwendung zum Glauben. So einleuchtend das auch klingt, so wenig werden jene diese Logik begreifen wollen, die seit Wochen alte Fälle herauskramen und jede Ohrfeige, die ein Schüler 1950 in einer katholischen Schule bekommen hat, zum Mißbrauch umdeklarieren. Die lautesten Stimmen kommen dabei oft aus dem Kreise jener, die vor nicht allzu langer Zeit Roman Polanski, der ein 13-jähriges Mädchen vergewaltigt hatte, verteidigt haben und zur Odenwaldschule und ihren Vorzeigepädagogen betreten schweigen: Das waren ja welche von ihnen, linke Feuilleton-Schickeria, Künstler ... Und wenn die Vergangenheit aufgearbeitet werden soll, was ja durchaus ein gutes Anliegen ist, könnte man auch einmal selbstkritisch die eigene Geschichte betrachten, zu der die Forderungen nach einer Entkriminalisierung der Pädophilie gehören, die in den 80er-Jahren in der linken Presse so oft erhoben wurden. Aber darum geht es nicht, nicht um die Sache selbst und schon gar nicht um die Opfer. Es geht einzig darum, die katholische Kirche, die letzte  konservative Bastion, zu schleifen.

Wenn es wirklich um die Opfer ginge, müßten auch andere Geschichten Platz auf den Titelseiten bekommen: Geschichten von der sexuellen Verwahrlosung in unserer Gesellschaft und ihren Opfern, den Kindern. Der Stern  erzählt, immerhin, einige von ihnen: Die Geschichte des sechsjährigen Jungen, der mit seiner Mutter Vergewaltigungsszenen anschaut und das Gesehene auf dem Schulhof nachzuspielen versucht. Die Geschichte der 14-Jährigen, die damit prahlt, daß sie "Gang-Bang" macht: Eine Gruppe von Männern fällt gleichzeitig über sie her. Kleinkinder, die gemeinsam mit ihren Eltern Pornos gucken, Mütter, die vor den Augen ihrer Kinder mit wechselnden Liebhabern Sex haben,  eine Elfjährige, die sich Sorgen macht, weil sie noch Jungfrau ist. In den unteren sozialen Milieus wächst eine Generation heran, die die Folgen der falsch verstandenen Liberalität in unserer Gesellschaft zu tragen hat, Zuwendung, Liebe und Zärtlichkeit nicht kennt, sondern nur Sex, deren Leitbilder Pornostars und Porno-Rapper sind, die sexuell verwahrlost und total enthemmt ist, von Scham und Ekel keinen Begriff hat. Bei sexuellem Mißbrauch wird oft von Mord an Kinderseelen gesprochen: Und das ist auch hier der Fall. Der Stern-Artikel ist hart und verdient Aufmerksamkeit. Aber wo bleibt der Aufschrei? Warum ist die Gesellschaft so blind gegenüber diesen Opfern? Warum wird nur so verhalten darüber berichtet, wie eine ganze Generation zugrunde gerichtet wird? Vielleicht, weil man das beim besten Willen nicht der katholischen Kirche anhängen kann?

Paul Badde schreibt: "Verstörend bleibt dennoch dies: Jetzt fallen die Sünden der 50er-, 60er- und 70er-Jahre auf uns zurück. Wie lange wird dieser Prozess wohl für jene neuen Sünden dauern, die wir heute unter uns verschweigen?" Die Sünden, die unsere Gesellschaft an diesen Kindern begeht, werden mit Sicherheit irgendwann mit voller Wucht auf sie zurückfallen. 

Dienstag, 16. März 2010

Neuevangelisierung

In einem meiner letzten Beiträge habe ich darüber nachgedacht, daß Deutschland eine Neuevangelisierung braucht. Das ist wahr, klingt aber auch ein bißchen großspurig - weil es nur verkürzt und abstrakt zum Ausdruck bringt, worum es eigentlich geht: Wer eine Neuevangelisierung braucht, ist der Einzelne. Also zunächst ich. Ich muß mich immer wieder zu Christus bekehren. Das ist für mich am Einfachsten, wenn ich Christen begegne, die mir ein Beispiel sein können und die mich überzeugen. Meist sind dies gelassene, fröhliche und tatkräftige Menschen, die zu ihrem Glauben stehen. Wer an der Neuevangelisierung mitwirken will, soll also versuchen, seinen Glauben beispielhaft zu leben. Das ist leicht gesagt, aber in der Praxis schwer: Ich selbst gebe kein gutes Beispiel ab, aber das Ideal möchte ich mir vor Augen halten.

Jetzt blicke ich zurück: Wie habe ich zum Glauben gefunden, nach einer langen Zeit des Agnostizismus und Atheismus? Den Anstoß gaben – ausgerechnet – einige liberale Katholiken aus der „Wir-sind-Kirche“ und  „Nieder mit dem Zölibat!“-Fraktion. Erstaunlich? Heute wundere ich mich darüber, aber damals erschien mir der Unterschied zwischen liberalen und konservativen Katholiken gar nicht so groß: Denn beide identifizierten sich auf ihre Art mit der Kirche und hatten einen Glauben, den ich damals nicht hatte – und das kam mir so exotisch vor, unverständlich, auf merkwürdige Art altmodisch, daß ich wissen wollte, was dahintersteckt. Wenn ich damals schon gewußt hätte, wie uneins die Katholiken teilweise untereinander sind, hätte ich nur den Kopf geschüttelt. Dies zeigt wohl auch: Wer andere überzeugen will, sollte als Gruppe versuchen, nach außen hin geschlossen aufzutreten. Leicht gesagt, aber nicht umzusetzen, solange man in Zeitungen Schlagzeilen lesen muß wie: „Oberster katholischer Laie kritisiert Papst wegen Zölibat“. Durchaus umzusetzen im Kleinen: indem man vor Außenstehenden betont, wie groß und schön die Kirche ist und nicht, wie sehr einem manche Dinge auf die Nerven gehen.

Die Begegnung mit liberalen Katholiken war die Initialzündung, dann kam bei mir die Lektüre, die intellektuelle Beschäftigung mit dem Glauben, erst dann gelegentliche Besuche der Heiligen Messe. Nach und nach wurde der Glaube fester, gewann er Konturen. Und dennoch gibt es immer wieder Phasen des Zweifels: ein Gefühl der Leere, die Angst, daß Gebete ungehört verklingen und daß kein Gott sei. Am meisten helfen mir dann die Begegnungen mit anderen Menschen, mit ihrer Liebe, ihrer Not, ihrem Glauben. Andere mögen andere Gegenmittel gegen drohenden Glaubensverlust finden.

Bloggend frage ich mich, welche Rolle das Internet bei der Neuevangelisierung spielt. Für mich persönlich eine sehr marginale. Ich konnte einige Informationen herausfischen und erfahren, wann wo welche Veranstaltung stattfindet und wen es da draußen noch so alles gibt. Es ist freilich unverzichtbar als Korrektiv zu der in den meisten Printmedien veröffentlichten Einheitsmeinung.

Doch die entscheidenden Anstöße bekam ich immer woanders, das mag mein eigener, individueller Weg sein. Das Internet ist wichtig, gerade als niedrigschwellige und wenig aufwendige Möglichkeit, sich Informationen zu beschaffen. Deshalb schreibe ich weiter, auch wenn ich denke, daß ich auf andere Weise mehr bewirken kann: in direktem Kontakt mit Menschen in der realen Welt.

Hoffnungsschimmer

Die Medienkampagne, die in den letzten drei Wochen gegen die katholische Kirche geführt wurde, hat mich verletzt. Was mich immer wieder aufgerichtet hat, waren Reaktionen aus meinem Bekanntenkreis, die ich nicht erwartet hätte, z.B. solche:

- ein Alt-68er, der sich nie durch kirchenfreundliche Verlautbarungen hervorgetan hat und nun dennoch den Begriff der Christenverfolgung ins Spiel bringt (- ich selbst wäre nicht so weit gegangen. Aber hat er nicht dennoch recht?)
- nicht ganz so unerwartet: ein konservativer Lutheraner, der gerne eine Solidaritätsaktion für den Papst ins Leben rufen würde
- außerdem ein zufällig belauschtes Gespräch in der S-Bahn: zwei, die selbst "mit der Kirche nichts am Hut haben", kommen zu dem Ergebnis, daß diese Hetze widerlich ist

Nur drei kleine Beispiele, die zeigen, daß öffentliche und veröffentlichte Meinung durchaus nicht deckungsgleich sein müssen... Hier noch ein Link: Manfred Lütz über Ettal.

Sonntag, 14. März 2010

Wieder zurück

Egal, wohin ich in letzter Zeit gereist bin: Bei meiner Rückkehr nach Deutschland war ich jedes Mal einem Kälteschock ausgesetzt. Und ich meine damit nicht das Wetter. Vor ein paar Tagen bin ich aus Mexiko zurückgekehrt. Dort sind die Menschen freundlich, hilfsbereit und kinderlieb, die Kirchen sind voll mit jungen Familien und Kindern.

Kaum zurück, springen mich Schlagzeilen an, die so boshaft wie absurd sind und in ihrer absurden Boshaftigkeit zuweilen sogar lächerlich: „Papst soll zur Odenwaldschule Stellung beziehen“, „Papstbruder schlug bis 1970 Kinder“, „Wir-sind-Kirche setzt Papst unter Druck“. Der Mißbrauch des Mißbrauchs geht also weiter. Es geht dabei nicht um die Opfer, um Fakten, um die notwendige Aufarbeitung des Geschehenen. Wer Kinder mißbraucht, ob Priester oder nicht, gehört ins Gefängnis. Doch die Zahlen zeigen, wie an verschiedener Stelle zu lesen war, daß sexueller Mißbrauch bei Priestern seltener vorkommt als bei anderen erwachsenen Männern. Schließlich steht eine solche böse Tat in radikalem Gegensatz zu allem, was die Kirche lehrt. Wenn es dennoch einzelne Priester gibt, die Kinder mißbrauchen, haben sich diese von allem, was sie vertreten sollen, entfernt.

Doch darum geht es bei der laufenden Medienkampagne gar nicht. Sondern um das Thema Sex, Skandal und Kirche, das immer zieht und in das sich so gut der antirömische Affekt hineinmischen läßt, der hierzulande seit Jahrhunderten konserviert wird. So mancher wittert auch die Möglichkeit, den Papst mit in den Skandal hineinzuziehen (besonders unrühmlich: die Süddeutsche). Vor allem aber nutzt man die Gelegenheit, mal wieder gegen den Zölibat und die katholische Sexualmoral anzuschreiben: Denn einen solchen Gegenentwurf zu ihrem eigenen säkularen Hedonismus kann unsere Gesellschaft nicht dulden. Sie kann es nicht hinnehmen, daß es Männer und Frauen gibt, die von Christus so erfüllt sind, daß sie sogar auf das größte Glücksversprechen der modernen Gesellschaft – nämlich Sex – zu verzichten bereit sind. Und die durch ihr Leben und ihr Zeugnis all das in Frage stellen, was von den heutigen Spießbürgern als heilig angesehen wird. Der letzte verbliebene Gegner, die Minderheit, die sich nicht anpaßt, soll mit allen Mitteln bezwungen werden – die Wiederholung der immergleichen Dummheiten gehört dazu. Besonders skandalös ist es aber, daß die himmelschreiende Geistlosigkeit dessen, was heute so selbstverständlich auch in einstmals großen Zeitungen geschrieben werden darf, nicht als unanständig empfunden wird. Wo bleibt der Protest gegen Dummheit?

Wie dem auch sei: Ich war nur gut zwei Wochen weg und erschrecke bei meiner Rückkehr wieder über den aggressiven Säkularismus, der in Deutschland herrscht. Was für ein großartiges Zeichen ist es doch, daß der Heilige Vater ausgerechnet ein Deutscher ist! Deutschland braucht zweifellos eine Neuevangelisierung. Die Frage, die ich mir stelle, ist: Will ich daran mitwirken? Viel lieber würde ich dieses Land verlassen und irgendwo hinziehen, wo es nicht so kalt ist. Will Gott, daß ich in diesem Land, meinem Land als Katholikin lebe und wirke? Aber ist Deutschland mein Land, ist das meine Heimat? Mein Gefühl sagt: von Tag zu Tag weniger.