Sonntag, 19. September 2010

Könnte katholischer Journalismus auch so aussehen?

„Schreiben Sie nichts, was nicht auch von der Jungfrau Maria unterschrieben werden könnte.“ Dieser Satz klingt so hoffnungslos naiv, so weltfremd, daß man fast darüber schmunzeln könnte. Aber er stammt von einem der erfolgreichsten katholischen Journalisten des 20. Jahrhunderts: dem heiligen Maximilian Kolbe. Verehrt wird er ja besonders als Märtyrer im Konzentrationslager Auschwitz. Weniger bekannt ist dagegen, daß dieser schmächtige, ständig von Krankheiten geplagte Franziskaner vor dem Krieg ein weltweit agierendes Presseunternehmen aufbaute. Die erfolgreichste von ihm herausgegebene Zeitschrift trug den wunderbar romantischen Titel „Ritter der Immaculata“ und erreichte immerhin eine Auflage von einer Million Exemplaren. Der „Ritter“, oder, wie er sich nannte, „Halbnarr“ der Immaculata, das war Kolbe selbst. Das Geheimnis seines Erfolges erklärt sein Biograph André Frossard so: „In der kleinformatigen Illustrierten“ wurde „nicht über die Welt für die Welt berichtet ..., sondern über den Himmel, über das Heil, das Leiden und die Hoffnung, eigentlich über all das, wovon die Presse nicht mehr spricht, sollte sie je davon gesprochen haben.“ Kolbe brachte seiner wachsenden Leserschaft das, „was den wenig gefragten Kern der menschlichen Natur ausmacht, nämlich den Wunsch zu glauben, zu hoffen und zu lieben.“

„Anstatt das Böse zu fördern, indem man über es schreibt, gilt es, das Gute hervorzuheben, um es dadurch um so begehrenswerter zu machen. Wenn schon die Aufmerksamkeit der Gesellschaft oder der Autoritäten auf irgendetwas Böses gelenkt werden muß, dann muß dies mit Liebe und Diskretion für die darin verwickelten Personen geschehen; man darf nicht übertreiben, niemals weiter als notwendig in die Einzelheiten des Bösen vordringen, um es zu beseitigen.“ Auch das ist eine Anweisung Kolbes für seine Redakteure. Ich muß gestehen, daß mich solche Sätze ein wenig beschämen. Ich bin kein Journalist, aber einiges, was ich hier geschrieben habe, ist von diesem Maßstab ziemlich weit entfernt. Könnte katholischer Journalismus heute noch so funktionieren? Ich glaube, daß der Kern der menschlichen Natur, von dem Frossard spricht, immer noch darauf wartet, angesprochen zu werden. Aber dazu müßte man wohl den den Glauben und die Unbekümmertheit eines Kolbe haben, der, so Frossard, einfach das „wiederholte ..., was ihm sein Herz eingab.“ Man müßte Sätze formulieren können wie diesen: „Ein einziger Akt vollkommener Liebe läßt die Seele wiedererstehen.“ Und man müßte so etwas nicht nur schreiben, sondern tun. So wie Kolbe es getan hat, als er in Auschwitz sein Leben für einen anderen, ihm völlig fremden Menschen opferte. Man müßte ... ja, müßte man das wirklich: ein Heiliger sein?

Alle Zitate aus dem Buch „Die Leidenschaft des Maximilian Kolbe: Eine Biographie“ von André Frossard (Kreuz-Verlag Stuttgart 1988).

PS. Allerdings brauche ich morgens nur fünf Minuten Frühstücksfernsehen zu gucken, um mir sofort einen ganz anderen katholischen Journalismus zu wünschen: einen, der der medialen Einheitsfront kräftig Contra gibt. Und das so aggressiv und polemisch wie möglich.