Sonntag, 26. Juni 2011

Frauenfußball

Gefällt mir ja nicht. Ich kann damit nichts anfangen. Fußball mit richtigen Kerlen gucke ich gerne. Nicht, daß ich irgendwas davon verstehe, aber es schaut nett aus. So gesehen brauche ich mich um die Damenmeisterschaft nicht weiter zu kümmern. Soll sich angucken, wer will, ich nicht. Nur diese Dauerwerbung davor ging mir auf die Nerven – sie stand in keinem Verhältnis zu dem Interesse, das dieses Turnier tatsächlich weckt. Und vor allem hat sie in mir den Eindruck geweckt, daß dieses Sportereignis instrumentalisiert werden soll: Es paßt eben allzu gut zu der Gender-Agenda der Regierung.

Doch daß es hier keine Autokorsos gab, obwohl die deutschen Frauen gewonnen haben, kein Gehupe, keinen Torjubel, kein Fahnenmeer, hat mich doch ein bißchen gewundert. Zwar gab es am Main eine Fanmeile, und vor den Leinwänden war es auch ziemlich voll. Doch so voll, daß es kein Durchkommen gegeben hätte, war es nirgends: Kurz vor dem Anpfiff konnte ich dort noch zügig spazierengehen. Und letztlich ist selbst die Menschenmenge, die zusammengekommen ist, kein Indiz für wirkliches Interesse. Bei schönem Wetter ist am Main immer viel los – das ist im Sommer einfach DER Treffpunkt in Frankfurt. Und wenn man dann ein paar Leinwände aufstellt und genug Stände mit Essen und Trinken drumherum, kommen immer Leute und gucken – da könnte man auch live von der Bundesgartenschau übertragen. Fahnen und Fußballtrikots sah ich nur vereinzelt.

Klar, die Presse wird es hochjubeln, aber mein Eindruck ist, daß die Stimmung beim jährlich stattfindenden Ironman besser ist. Scheint ein ziemlicher Rohrkrepierer zu sein, die Frauen-WM. Was ich davon halten soll? Weiß auch nicht. Schadenfreude, weil die Werbung so wenig gebracht hat? Oder doch Bedauern, weil ich große Feste lieber mag als kleine? Ach egal. Ich mach' jetzt erstmal Pilates, ist ja auch Sport.

Zölibat und Frauenpriestertum

Ja, ich gebe es zu: Früher war ich hundertprozentig gegen den Zölibat und für das Frauenpriestertum. Das war aber nicht das Ergebnis eigenen Nachdenkens. Man glaubt eben zunächst das, was man sein Leben lang in der Zeitung liest und in Predigten und im Religionsunterricht hört. Die Gegenposition ist ja in der BRD im öffentlichen Diskurs kaum vertreten. Deshalb ist es für die meisten selbstverständlich, für Frauenpriestertum zu sein, ebenso wie man selbstverständlich Sonnenschein besser findet als Regen.

Deshalb ärgere ich mich nicht, wenn es immer wieder zu solchen Begegnungen kommt: Man lernt einen Katholiken kennen, und beinahe das Erste, was er sagt ist: "Ich finde, wir brauchen endlich Frauen als Priester." Denn in der Regel geht es ihm nicht um Provokation und auch nicht darum, daß er eine grundsätzliche Diskussion führen oder tatsächlich etwas verändern möchte. Es geht ihm darum, auf einfache Weise einen Konsens mit seinem Gegenüber herzustellen. Er rechnet nicht damit, daß man anderer Meinung sein könnte. Und wenn man dann antwortet: "Finde ich nicht. Die Kirche hat nämlich nicht die Vollmacht, Frauen zu Priestern zu weihen ...", bringt man ihn völlig aus dem Konzept. Ebenso wenig würde ein Engländer, der an der Bushaltestelle zu seinem Nebenmann sagt: "Hoffentlich hört der Regen bald auf", mit der Antwort rechnen: "Ich liebe Regen! Die Natur braucht das, sonst trocknet alles aus".

Man sollte den Zölibatsgegnern und Frauenpriestertumsforderern zunächst also nicht unterstellen,  gründlich darüber nachgedacht zu haben (anders liegt der Fall freilich bei Leuten, die dies systematisch fordern). Zumal noch ein weiterer Aspekt dazukommt: Mit solchen Bekundungen kann man auf einfache und gefahrlose Weise zeigen, daß man ein guter Mensch ist. Denn für Frauenpriestertum zu sein gilt hier ja als gut ...

Doch wie kommt es, daß das Vertreten bestimmter Meinungen als eine solche Selbstverständlichkeit gilt, daß Themen wie der Zölibat sogar Small-Talk-tauglich werden? Sonst heißt es doch, über Politik und Religion redet man beim Small-Talk nicht. Wie ist es zu erklären, daß die meisten denken, mit solchen Meinungsäußerungen Konsens mit dem Gegenüber herstellen zu können, so als würde man über das Wetter sprechen?

Und genau dort liegt der Schlüssel: Das Wetter, Naturgewalten gehören zu den Gegebenheiten, in die man als Mensch hineingestellt ist und die unser körperliches Befinden beeinflussen. Das Empfinden darüber ist allgemein, es ist bei allen gleich: Man friert, wenn es kalt ist, und man fühlt sich wohl, wenn es warm ist. Sonnenschein hebt die Stimmung, Dunkelheit macht müde. Krankheiten sind nicht wünschenswert.

Wenn aber nun bestimmte Meinungen für ebenso allgemeinverbindlich gehalten werden wie natürliche Gegebenheiten, ist das ein sehr schlechtes Zeichen: Es gibt keine offenen Debatten mehr. Was man zu denken und zu meinen hat, gilt als festgelegt, ebenso wie es körperliche Reaktionen sind. Das Denken soll also uniformiert werden, und auf diesem Weg ist die Gesellschaft schon weit vorangeschritten – mit Hilfe der Massenmedien. Zum Glück gibt es noch immer viele Rückzugsräume. Doch läßt sich die Entwicklung hin zu einer totalitären Massengesellschaft noch aufhalten?

Deutschlektion: der, die oder das Kirche? Gar kein Artikel!

Es gibt im Deutschen Nomen, die auch im Singular ohne Artikel stehen. Dabei kann es sich erstens um Stoffbezeichnungen handeln, die eine unbestimmte Menge bezeichnen:

"Pudding macht dick."
"Babys mögen Brei."
"Auf der Straße ist Matsch."
"Das Kind wünscht sich Knete."

Oder zweitens um Sammelbezeichnungen, die ebenfalls eine unbestimmte Menge bezeichnen:

"Obst ist gesund."
"Im Stall steht Vieh."

Oder drittens um Abstrakta:

"Jetzt ist hier endlich Ruhe!"
"Dummheit ist keine Tugend."

Und dann gibt es noch "Kirche", jene Institution, die im Sprachgebrauch der sogenannten Liberalen und Reformorientierten ihren Artikel verloren hat:

"Kirche muss offener, demokratischer, frauenfreundlicher werden, Reformen wagen, zeigen, daß sie nützlich ist ..."

Was hat das zu bedeuten? Aus der klar definierten, konkreten, existierenden Kirche wird also eine unbestimmte Menge gemacht, eine breiartige Masse, die so wenig greifbar ist wie Pudding, keine klaren Grenzen hat, keinen Gesetzen folgt und so formbar ist wie Knete. Etwas, was man selbst gestalten kann. Oder gar ein Abstraktum, das weit entfernt ist, nicht mehr als eine Idee.

Immer geht es bei diesem Sprachgebrauch also darum, der Kirche ihre konkrete Form, jetzt und hier in dieser Zeit, abzusprechen. Sie wird zur willenlosen Masse oder zur Idee und verliert dadurch an Wirklichkeit. Die Kirche: An ihr orientiert man sich, ihre Gesetze gelten, sie ist Heimat. Kirche: etwas, was man nach den eigenen Bedürfnissen gestalten kann.

Sprache ist eben verräterisch.

Volkserzieher

Dieser Irrtum ist weitverbreitet: Glaube bedeutet vor allem, daß man versucht, ein guter Mensch zu sein und moralische Normen einzuhalten. Dieses Mißverständnis wurzelt in der Zeit der Aufklärung. Der Glaube begann, schwächer zu werden. Man suchte nach einer anderen Begründung für den Glauben, oder vielmehr: nach seinem Zweck. Der Gedanke kam auf, Religion sei der beste Garant für Wohlverhalten. Und da begann das Moralisieren.

Die Rolle des Priesters wurde verändert und erweitert: Er wurde mehr und mehr zum Volkserzieher. Wie sehr dies heute nachwirkt, zeigt sich gerade in der Beichte. Das mystische Verständnis geht verloren. Die Aufgabe des Priesters ist es eigentlich, die Sünden von der Seele zu nehmen und den Gläubigen wieder mit Gott zu versöhnen. Doch mit der Zeit wurde aus der Beichte eine Mischung aus psychologischer Beratung, Coaching und nachgeholter Erziehung. Wenn vom Verfall des Bußsakraments die Rede ist, heißt es meistens, die Menschen hätten heute kein Sündenbewußtsein mehr. Möglicherweise ist ihnen aber auch bewußt, daß auf dem Gebiet psychologischer Beratung ein Psychologe nun einmal mehr zu leisten vermag als ein Priester.

Wie dem auch sei, die schwächliche aufgeklärte Vorstellung, man bräuchte den Glauben als moralisches Korsett, hat bei mir vor allem eins bewirkt: Ich verstand Nietzsche besser. Unerlöster kann man kaum wirken als jemand, der eine solche Stütze braucht.

Persönliche Gedanken über den alten Ritus

Die Alte Messe hat mich schon oft getröstet. Wenn ich Glaubenszweifel habe, führt sie mir das vor Augen, was das zweifelnde Ich übersteigt: das Heilige, das überzeitliche Mysterium, die andere Welt, die die Wirklichkeit ist.

Wenn ich mich in der Kirche heimatlos fühle, gibt sie mir Geborgenheit. Heimatlos fühle ich mich immer dann, wenn ich einen Bruch bemerke zwischen der Gegenwart, meiner Lebenswelt in einer abgeklärten, modernen Großstadt und der Art, wie sich die Kirche in Deutschland oft präsentiert: dieses provinzielle 70er-Jahre-Gefühl, die schief formulierten, gut gemeinten Fürbitten und die Momente der Peinlichkeit, wenn diese vorgetragen werden, die Lieder mit Kindergartentexten, diese heimelige Enge, die mich immer an die DDR erinnert, dieses Anbiedern an einen Zeitgeist, der sich schon längst woandershin bewegt hat, die Lethargie, die schwächliche Prinzipienlosigkeit ...

Doch die Heilige Messe aller Zeiten ist zeitlos: Sie ist auch die Messe unserer  Zeit, weil sie sich immer treu bleibt.

Heute war ich in einer ordentlich gefeierten Messe in der neuen Form, zum ersten Mal seit Längerem. Ich zweifele nicht an der Gültigkeit der neuen Messe. Doch mittlerweile löst sie in mir oft Unbehagen aus. Ich lerne die Alte Messe besser kennen, zu verstehen und zu schätzen. Daneben erscheint mir die neue Messe  so zusammengestrichen, reduziert und zerstückelt  – wie eine kurze Nacherzählung eines Epos. Sie wirkt kalt und wenig anschaulich.

Es bereitet mir ästhetisches Unbehagen, bei der Wandlung das Gesicht des Priesters zu sehen. Oder die Gesichter der Konzelebranten hinter dem Volksaltar, wenn sie sich bemühen, andächtig zu schauen. Wenigstens erinnert das daran, daß man im Moment der Wandlung besser die Augen niederschlägt.

Es bereitet mir auch Unbehagen, daß in der neuen Messe alles so sehr vom Priester abhängt: Nur ein guter Priester kann diese Messe würdig feiern. Doch zu allen Zeiten hat es auch schlechte Priester gegeben. In der Alten Messe geht die Persönlichkeit des Priesters im Ritus auf und wird von ihr überdeckt. Sie ist stärker als die menschliche Schwäche des Zelebranten.

Ich empfinde die Schönheit der Alten Messe als ergreifend. Es fällt mir immer schwerer zu verstehen, was die Liturgiereform Gutes gebracht hat. Mir fällt nichts ein. Ich fange an, die Liturgiereform, diese Reform am Reißbrett, für eine der größten Narrheiten in der Geschichte der Kirche zu halten. Also setze ich meine Hoffnung auf eine Renaissance der jahrhundertealten, bewährten und gewachsenen Form.